Fossiler Muschelkalk (9): der Kahnfüßer

VOM POP ZUM FOSSIL

Fossiler Pop - dunkelblau angemalte Muschelkalkplatte mit kleinen hellblauen Muscheln; in den nicht bemalten Kreisen sind echte Kahnfüßer in Gelbblau zu sehen. Auch die Muscheln sind echt!

Hier die noch nicht bemalte Platte mit den vielen Müschelchen und den strichförmigen, kommaförmigen Kahnfüßern dazwischen. Kahnfüßer sind keine exotischen Fossilien, im Gegenteil, sie können in manchen Muschelkalkschichten in Massen auftreten. Aber weil sie klein sind, werden sie vom Laien unabsichtlich übersehen und vom Fossiliensammler absichtlich.

Eine Nahaufnahme des vorhergehenden Bildes: Ein fossiler Kahnfüßer ist ins Zentrum gerückt. Er sieht elefantenstoßzahnartig aus und ist 1,5 cm lang. Heutige Kahnfüßer-Gehäuse können bis zu 12 cm lang sein.

ZUORDNUNG IM REICH DER TIERE

Der Kahnfüßer gehört wie die Muscheln, die Schnecken oder die Ceratiten zu zu den Weichtieren.

NAMEN UND BEZEICHNUNGEN

Der Kahnfüßer wird auch Grabfüßer genannt. Die deutschen Tiernamen Kahnfüßer und Grabfüßer ordnen sich wiederum den wissenschaftlichen Bezeichnungen unter:

"Scaphopoda"  (skaphe = griech. Kahn + podos = griech. Fuß): eine Klasse bei den Weichtieren,

und

"Dentalium" (dens = lat. Zahn): das Kalkgehäuse des Kahnfüßers in der Form eines Elefantenstoßzahns.

Das Tier hat einen Fuß, mit dem es sich in den Meeresboden eingraben kann. Die Form des Grabfußes ähnelt einem Kahn. Die Form der Schale erinnert an einen Elefantenstoßzahn.

FUNDORT DIESER MUSCHELKALKPLATTE

Diese Muschelkalkplatte mit den eingekreisten Kahnfüßern stammt aus Wiernsheim-Serres. Es ist eine flache Platte aus einer Schillkalkbank, die für die untersten Lagen der Ceratitenschichten (Nodosuskalk) im Oberen Muschelkalk typisch ist. Die Straße "Auf der Kohlplatte" in Serres hat ihre Verlängerung in einem nach Nord-Nord-Ost führenden Feldweg. Er verläuft geradewegs auf dieser Schillkalkbank, so dass Bruchstücke mit Kahnfüßern am Wegrand der steinreichen Äcker zu finden sind.

LEBENSWEISE, AUSSEHEN, MERKMALE

Der Kahnfüßer ist kein seltenes Tier in unseren heutigen Meeren. Man weiß ganz gut über ihn Bescheid. Das Tier lebt in einer röhrenförmigen Schale, die zwei offene Enden hat. Die harte kalkige Schale schützt den weichen Körper des Tieres. Ein schlauchartiger Hohlkörper, die Mantelhöhle, durchzieht das ganze Tier. Die Mantelhöhle ist an beiden Enden offen und immer mit Meerwasser gefüllt.

Aus dem gößeren Ende der Schale ragt der Grabfuß. Er ist wie ein Muskel beweglich und kann in den weichen Meeresboden eindringen. Das Tier kann  Blut in den Grabfuß pressen, was ihn vergrößert und im Meeresboden verankert. Dann kann es die ganze Schale nachziehen. Dafür muss die Schale schlank und widerstandsarm sein, was sie auch ist.

Diese grobe Skizze nimmt das dickere Ende der Schale oder Röhre in den Blick. Man könnte es als "Kopfende" ansehen. Der wichtigste Teil dieses "Kopfes" ist der kräftige rote Grabfuß, dessen Form an einen Kahn erinnert. Die dünnen gelben Fangfäden suchen im Meeresboden nach Kleinstlebewesen. Die Beute wird dem grünen Mund zugeführt und wandert in den rosaroten Darm. Die Mantelhöhle ist dunkelblau eingezeichnet.

Der Kahnfüßer hat einen Fuß. Er macht das Tier beweglich. Zwar kann es mit dem Fuß keine Riesensprünge machen, aber es ist auch nicht am Boden festgewachsen. Es kann sich grabend fortbewegen, und damit einen abgefressenen Platz im Bodenschlamm oder Bodensand verlassen, um neue Jagdgründe zu suchen, eben ein paar Zentimeter weiter oder daneben...

Weil die Schale schlank sein muss und lang ist, liegen die einzelnen Organe eher hintereinander als nebeneinander. Der Darm wird nicht unnötig in die Länge gezogen. Er mündet schon zur Schalenhälfte in der an beiden Enden offenen Mantelhöhle. Sie ist gleichzeitig Frischwasser- und Abwasserkanal. Da sie nach beiden Seiten offen ist, staut sich da nichts, sammelt sich da nichts an. Das Einstrudeln von Frischwasser sorgt für eine klärende Strömung.

Am größeren Ende gibt es außer dem Grabfuß viele zarte, fadendünne Fangarme, die den Meeresboden nach winzig kleinen Lebewesen absuchen. Die Fangarme sind an ihrem Ende klebrig. Beute bleibt hängen und wird zur  Mundöffnung transportiert und einem Verdauungsapparat zur weiteren Verwendung überlassen.... Man kann nur staunen, was es in diesem kleinen Tier an Organen gibt - Darm und Magen in Pink, Verdauungsdrüse, Ausscheidungsorgan/Niere in Dunkelgrün, aber auch einen Blutkreislauf, Nervenbahnen, Muskeln, alles einfach gebaut, aber wirkungsvoll. Wirkungsvoll: Der Blutkreislauf ist fast herzlos, der kräftige Grabfuß sorgt als Herzersatz für das Pumpen! Der Grabfuß gräbt, pumpt, saugt, presst, kann sich vergrößern, verkleinern. Ein Kahnfüßer weiß, was er an seinem Fuß hat! Im Übrigen gibt es bei den Kahnfüßern Männlein und Weiblein. Das Organische dazu ist in der Skizze in Weiß angedeutet. Und das alles schon vor 230 Mio. Jahren im Muschelkalkmeer!

DIE RICHTIGE LAGE - WASSER OBEN, MEERESBODEN UNTEN

 

Es wird nun Zeit, die Skizze umzudrehen, tiefblaues Meerwasser zu schaffen und die Schillkalkplatte in einen Meeresboden zu verwandeln:

Am dünneren Ende strudelt sich das Tier frisches Meerwasser in den durchgehenden Schlauch, in die Mantelhöhle. Es kann dann ohne Kiemen dem Wasser Sauerstoff entziehen. Dieses Ende muss ins Wasser hineinragen. Der Kahnfüßer kann sich nicht völlig im Meeresboden eingraben. Ein Teil der Schale bleibt immer sichtbar.- Die Schale muss auch deshalb verhältnismäßig lang sein, damit nicht vor lauter Fressgier das sauerstoffbringende Ende aus Versehen in den Bodenschlamm hineingezogen wird. Das Tier wäre in Not, weil der Erstickungstod droht!

STRANDFUND UND FOSSILREST

 

Der Strandurlauber findet die Schale des Kahnfüßers als feste längliche Röhre, leicht gebogen, sich leicht verjügend. Die fossilen Reste des Kahnfüßers aus dem Muschelkalkmeer sind auch leicht gebogen, verjüngen sich ebenfalls und sind länglich. Aber es gibt keine Röhren und es gibt keine Schalen. Als der Kahnfüßer zum Fossil wurde, lösten sich seine Weichteile auf oder Aasfresser machten sich darüber her. Die Schale war dann leer und füllte sich mit Meeresbodenschlamm. Im weiteren Verlauf verschwand das Meer, der schlammige Schaleninhalt wurde hart und versteinerte, dann löste sich die Kalkschale auf, und der Schaleninhalt blieb als "Steinkern" fossil übrig. Der Steinkern kann 2 cm lang sein. Die Kahnfüßer-Röhre an heutigen Stränden kann bis zu 12 cm lang sein.

Zu beiden Seiten des Kahnfüßer-Steinkerns verläuft ein deutlich sichtbarer Graben. In dem Graben war etwas, nämlich die Schale. Säurehaltige wässrige Lösungen haben die kalkige Schale aufgelöst und diese grabenähnliche Spur hinterlassen.

Den dunklen Graben sieht man an den Pfeilspitzen nicht nur bei den Kahnfüßern, sondern auch bei den Muscheln. Auch sie sind schalenlose Steinkerne. Zum Vergrößern aufs Bild klicken!