Märchen im Museum - Kapitel 60 - 64

Das 60. Kapitel: Labrador und Dalmatino

 

In der Welt der Mineralien gab es nun zwei Hunde, den lieben kleinen Labrador und den lieben kleinen Dalmatino. Jeder mochte sie. Aber sie mochten einander nicht besonders! Da spielte schlichtweg die Eifersucht eine Rolle! Schon nach zwei, drei Nächten ging den meisten Mineralien das ständige Kläffen, Bellen und Knurren auf die Nerven, wenn sich die beiden sahen. 

Vitrine Glas schlug deshalb vor, Labrador an den geraden Nächten und Dalmatino an den ungeraden Nächten aus ihren Seifensteinen zu holen. Ihr Vorschlag fand allgemeine Zustimmung. Nur ein paar wenige Grün- und Rosenquarze waren anderer Meinung...

Das 61. Kapitel: Süßes oder Saures?

 

Die Nächte vergingen. Wochen zogen ins Land. Der 31. Oktober kam. Es war Dalmatinos Nacht. Was ein Rosenquarz während der Besuchszeit von Kindern aufgeschnappt hatte, verwendete er für seinen Reim:

 

Süßes oder Saures?

Unser Hündchen - 

es gibt nichts Schlaueres!

 

Eine Minute später grinste sie der kleine Dalmatino an. Wie süß! Und schrumpfte. Fast schon zum Punkt geschrumpft, rief ihm ein Grünquarz zu: "He, Kleiner, werd´ größer!"

 

Wie schon oft gesehen, Dalmatino wurde wieder größer. Und größer! Und noch größer! Langsam, aber stetig. Verblüfft sahen die Grün- und Rosenquarze dem Wachsen zu. Staunen lag in ihren Augen, dann aber auch zunehmend Unbehagen. Dalmatino hörte nicht auf zu wachsen. Es war wie verhext. Kein Spruch, kein Wort, kein Befehl half da. Dalmatino wuchs und wuchs und grinste wie immer. Es wirkte etwas bedrohlich. Statt Süßem gab es Saures. 

Die Grün- und Rosenquarze bekamen es mit der Angst zu tun. Das war irgendwie unheimlich! So schnell sie konnten, schwebten sie hinüber zum Bergwerksmodell, um sich darin zu verstecken. Sie verstanden die Mineralienwelt nicht mehr. Ein Riesenhund im Museum! Das war nicht mehr der kleine süße Dalmatino!

Das 62. Kapitel: Vorher klein und klug, jetzt unbeholfen, unbedarft!

Aber es war Dalmatino. Vitrine wurde aufmerksam. Sie beobachte den riesigen Hund. Es war Dalmatino, immer noch der liebe Kerl. Offensichtlich aber war er sich seiner Größe nicht so recht bewusst. Er machte ein paar Schritte hinter den Quarzen her, grinste wie immer und wedelte freudig mit dem Schwanz. Dabei erwischte er den Labradorit aus der Vitrine 15, der zufällig hinter ihm schwebte. Der Labradorit knallte gegen die Wand. Danach sah er etwas benommen aus. So schnell er konnte, verzog er sich auf seinen Standplatz. Hoffentlich war nichts an ihm abgesplittert. 

Sonst so fröhlich wie links unten, jetzt leicht benommen wie rechts oben - der Labradorit hat den Schwanz abgekriegt!

Dalmatino merkte nichts davon. Auch den Aufprall des Labradorits schien er nicht gehört zu haben. Er tapste unbeholfen ein paar Schritte weiter. Sein Grinsen hatte plötzlich etwas Einfältiges, im Blick seiner blauen Augen lag Unverständnis. Vitrine rief ihm etwas zu, aber er reagierte überhaupt nicht. Als wäre er taub. 

Beim Dunkelraum blieb Dalmatino kurz stehen. Da war mit einem Mal niemand mehr. Die Mineralien hatten sich vor dem riesigen Hund in Sicherheit gebracht. Was ging Tino wohl durch den Kopf? Vitrine rätselte.

Das 63. Kapitel: Ölfredo bleibt lieber oben an der Decke

Langsam merkte Dalmatino aber doch, dass es im Museum immer stiller wurde. Er tapste durch die Räume. Er fing an zu suchen. Wo waren die Mineralien, die um diese Zeit kreuz und quer durch die Räume schwebten?

Er schaute nach links. Er schaute nach rechts. Niemand war zu sehen. Dann schaute er zufällig nach oben und entdeckte Ölfredo: "Hi, Ölfredo!", bellte er freundlich, so wie immer. Ölfredo erkannte in dem Riesenhund sofort Dalmatino - bei den Tupfern! Aber diese Größe! Ölfredo war wie vom Donner gerührt, fasste sich aber schnell. Sehr distanziert und sehr froh, so weit oben zu sein, gelang ihm gerade noch ein "Guten Morgen, Tino". Dann schwebte er eiligst und ganz dicht oben an der Decke zurück in seinen Dunkelraum. Dalmatino suchte weiter. Ölfredos Gruß hatte er nicht gehört.

Das 64. Kapitel: Entdecken - abschlecken - erschrecken!

Hinterm Dunkelraum entdeckte er sie. Die Pforzheimer Stinkquarze. Es war ihre Wettkampfnacht. Aber sie hatten gerade beschlossen, den Wettkampf abzubrechen. Noch einmal wurde dem Gegner die Zunge rausgestreckt, aber dann war Schluss. Dalmatino war einfach zu groß. Er wäre ihnen ständig im Weg gewesen. Die Grauen schwebten in Richtung Vitrine los, die Bunten folgten ihnen. In dem Augenblick sah sie Dalmatino. Er roch sie. Diese wunderbaren Gerüche. Plötzlich erinnerte er sich an alles. Wie er sich freute! Unbeholfen tappte er auf den Kugelschreiber vor seiner Nase zu. Er liebte die Stinkquarze. Sie waren so nett und rochen so interesssant. Und schon streckte er die Zunge raus, um sie liebevoll abzuschlecken...

Ein paar der bunten Stinkquarze wirbelte, von der Riesenzunge befördert, durch die Luft. Zum Glück wurde keiner durch Dalmatinos Tollpatschigkeit verletzt. Alle konnten sich schließlich vor seinen "Liebkosungen" in die Vitrine retten. Zwei schafften es sogar auf dem Kugelschreiber, weil sie vor der herannahenden Zunge noch schnell einen Haken schwebten. 

 

Dann wurde es auch schon 1 Uhr. Der Spuk ging zu Ende. Die Mineralienwelt beschloss, hinfort am 31. Oktober die Seifensteine in Ruhe zu lassen, insbesondere die getupften!