Märchen im Museum - Kapitel 39-40

Das 39. Kapitel: Wir haben die Spanier vergessen!

Zwei Tage vor Milchs 1000. Geburtstag sagt Goldie plötzlich zu Milch:

Du, Milch, ich glaube, wir haben jemanden vergessen, zu deinem Geburtstag einzuladen!

Nein, Goldie, das ist unmöglich. Von der Familie sind alle eingeladen.

Und was ist mit den Spaniern?

Welche Spanier?

Na, die kleinen Bergkristalle mit den Inklusionen.

Inklusionen? Was soll denn das sein?

Na, Inklusionen halt, Einschlüsse, die haben doch in sich drin so Erdöltröpfchen.

Natürlich! Jetzt fällt´s mir ein. Du hast Recht! Die Öl-Spanier hab´ich total vergessen. Man kommt einfach zu selten in den Dunkelraum. Wir müssen sie noch einladen. Könntest du...?

Schwierig! Die Zeit läuft mir davon. Ich muss noch einiges für das Schrauben-Menü besorgen. Aber da kommt Vitrine Glas.

 

Hallo, ihr zwei, gestresst von den Geburtstagsvorbereitungen?

Ziemlich. Die Zeit wird knapp. Vitrine, könntest du uns einen Gefallen tun und die Öl-Spanier im Dunkelraum zu meinem Geburtstag einladen?

Die Öl-Spanier? Die dauernd diskutieren? Und deshalb fast nie aus dem Dunkelraum rauskommen?

Ja, genau die. Sie gehören zur Familie. Und sie sind doch nett. Sie können sich bloß nie auf irgendetwas einigen, die vier. Wie heißen sie nochmal? Heißt nicht einer Jose Manuessig?

Nein, Jose Manuöl, die anderen sind  Ölfredo, Ölian und Raffaöl. Gut, ich werde sie einladen. Gleich morgen früh.

 

Am Morgen spiegelt sich Vitrine zum Dunkelraum. Er steht als gesonderter Raumwürfel im Museum. Man kann ganz um ihn herumgehen. Vitrine nützt das Licht der umliegenden Glaskästen, um rasch auf die Rückseite zu kommen. Hier gibt es eine große Tür mit einem schwarzen Vorhang. Vitrine hält kurz inne. Ganz wohl fühlt sie sich nicht. Sie mag den Dunkelraum nicht besonders. Wegen des Lichts. 

Brennt im Dunkelraum das normale Licht, ist es trotzdem schwach und trüb: Vitrine wird langsam. Das ist ihr zuwider. Angenehm ist nur der schwarze Hintergrund. Er bewirkt viele zusätzliche Spiegelreflexe, was Vitrine etwas versöhnlicher stimmt. Brennt allerdings überhaupt kein Licht, kommt Vitrine nicht in den Raum hinein. Ohne Licht kein Spiegeln. Ohne Licht nur Frust.

Meistens aber brennt das ultraviolette Licht. Die Besucher sind davon begeistert, Vitrine weniger. Bei diesem Licht kann sie sich nur sehr, sehr langsam bewegen. Im Schneckentempo. Fürchterlich!

Und heute hat sie Pech. Genau dieses ultraviolette Licht erwartet sie, als sie sich durch einen Spalt im Vorhang hineinspiegelt. Ein geheimnisvolles Leuchten erfüllt den Raum. Die ausgestellten Mineralien fluoreszieren, viele in den Farben Grün, Blau und Violett. Langsam spiegelt sich Vitrine am Schaukasten hoch. Sie sucht in der Dunkelheit die fluoreszierenden Farbtupfer der Öl-Spanier. Im Glas spiegeln sich ihre Augen. Blau-violett! Vitrine fluoresziert selber! Mit einem Auge blinzelt sie ein Weilchen.

Wo sind nur die Öl-Spanier? Bei normalem Licht ist der Öl-Spanier als kleiner Bergkristall sofort zu erkennen. Der Kristall ist lichtdurchlässig, glasartig und hat zwei Zuspitzungen und natürlich die gelben Flecken mit dem eingeschlossenen Erdöl. Das ultraviolette Licht verändert den grauen Kristall in einen blauen Stein, der durch die Eröleinschlüsse von innen her glüht.

Plötzlich hört Vitrine Schritte. Jemand schiebt den Vorhang beiseite und betritt den Dunkelraum. Ein Museumsbesucher! Vitrine erstarrt. Der Besucher schaltet das Normal-Licht ein. Vitrine sieht sie sofort, die Öl-Spanier. Kurz darauf schaltet der Besucher das UV-Licht an. Dann wieder das Normal-Licht. Er vergleicht. Er schaltet hin und her. Was er sieht, scheint ihm zu gefallen. Nach ein paar Minuten hört er auf und verlässt den Raum. Dabei vergisst er, das Licht auszumachen. Das Normal-Licht brennt. Vitrine atmet auf! Glück gehabt!

Mit einer kleinen Spiegelei ist sie bei den Öl-Spaniern. Sie liegen gerade entspannt auf ihren durchsichtigen Kunststoffunterlagen. Überrascht sehen sie Vitrine an.  

Hallo, Vitrine, was führt dich her?, fragt Jose Manuöl neugierig, den Mund spitzend, die Sonnenbrille aufsetzend und sich im Spiegel ansehend.

Vitrine: Hallo, Jungs, ich komme mit einer Einladung!

Sicher zu einem Jubiläum.... Nein, zu einer Tanzparty.... Ach was, ich weiß es ganz genau, zu einer Versammlung.... - schon sind Ölfredo, Ölian und Raffaöl mitten im Vermuten und Diskutieren!

Nein, hört zu, der Milch Quarz hat übermogen Geburtstag und ...

Hat der nicht gerade Geburtstag gehabt?... Nein, das ist schon länger her!... Wir waren doch beim 900. Geburtstag dabei! ... Stimmt nicht, das war ´ne Schnapszahl, der 2222. Geburtstag, das weiß ich ganz genau... - schon geht´s bei Ölfredo, Ölian und Raffaöl weiter!

Stopp! Lasst mich ausreden: Milch wird tausend Jahre alt und ihr seid herzlich zur Geburtstagsparty eingeladen. Gefeiert wird morgen ab Mitternacht im Modell.

Danke für die Einladung, aber wir wissen nicht so recht...  Natürlich gehen wir dahin.... Du, vielleicht, ich.... Wir kennen den Milch doch gar nicht so gut...  Hört mal, ich würde schon gern... Also eines weiß ich ganz genau.. - 

Vier Öl-Spanier, vier Meinungen!

Natürlich kommt ihr, alle würden sich freuen. Und denkt an das Essen: Es gibt unter anderem auch Schraubensalat mit Essig und Öl.

Was? Essig und Öl? Toll! Wir kommen! 

Märchenfreies Mineralien-Modul 12

Vier Öl-Spanier und eine Meinung. Vitrine lächelt zufrieden: "Also, Jungs, bis morgen. Und fangt nicht wieder an zu diskutieren. Sonst kommt ihr zur Party noch zu spät. Falls ihr aber doch wieder diskutiert, dann gebe ich euch einen Rat. Wenn ihr über etwas länger als eine Minute diskutiert, dann ruft einer von euch ein bestimmtes Wort und dann muss Jose Manuöl entscheiden. Wäre das ein Vorschlag?" Alle vier nicken und meinen, man könne das ja mal versuchen. Und dann fragt Raffaöl: "Welches Wort meinst du, Vitrine? Welches Wort sollen wir rufen?" Da schaut Vitrine ihn kurz an und sagt: "Schnauze!"

Für  Vitrine zu trüb, für die Öl-Spanier zu grell - das Licht im  Dunkelraum. Aus diesem Grund sind Sonnenbrillen für die Öl-Spanier ganz wichtig, insbesondere wenn sie den Dunkelraum verlassen. Denn im Museum erscheint ihnen das Licht noch viel greller. So besitzt jeder von ihnen mehrere Sonnenbrillen: modische, spanische, farbische, teure und billische, für jeden Anlass die passende Sonnenbrille. Leider ist es auch ein Anlass, heftig zu diskutieren: Wer trägt beim Geburtstagsausflug welche Brille? Jose Manuöl entscheidet, nachdem Ölian das bestimmte Wort gerufen hat. Punkt 24 Uhr  in der Geburtstagsnacht verlassen sie ihre Kunststoffunterlagen im Dunkelraum. In der Dunkelheit schweben sie in einer Formation los. Das erste Ziel sind die Spalten im Türvorhang. Jose Manuöl trägt eine lila Brille, Ölfredo eine rote, Ölian eine grüne, und bei Raffaöl haben sie sich auf Gelb geeinigt.

Zwischen den Spalten im Türvorhang schauen sie zunächst einmal vorsichtig hinaus ins Museum. Wer ist noch unterwegs? Wie hell ist es draußen? In welcher Richtung geht es weiter?

Sie lassen den dunklen Vorhang hinter sich und steuern den Rheinland-Pfalz-Raum an, in dem alle Wände rot gestrichen sind.

Einer nach dem anderen kommt im Rheinland-Pfalz-Raum an. Sie schweben an den vielen Achaten aus Idar-Oberstein vorbei, zielstrebig zur nächsten Tür. Einer nach dem anderen verschwindet um die Ecke.

Dort verlassen sie den roten Raum, halten sich nach links und sehen auch schon das Bergwerksmodell ganz hinten an der Wand. 

Am Modell haben sie kurz Angst, nicht gleich den richtigen Eingang zu finden. Aber Vitrine erwartet sie schon: "Hallo, Jungs, toll, dass ihr da seid! Hier geht´s rein!" Sie schweben auf Vitrine zu.

Sie sind am Hintereingang zum Bergwerk angekommen. Da passen sie gerade so durch. Während sie in das dunkle Loch hineinschauen, geht da unten jemand vorbei und sagt lachend: "Na los jetzt, kommt rein! Milch, Essig und Öl erwarten euch!" Da schweben und zwängen sich die Vier rasch und erwartungsfroh durch den Bergwerkseingang. Einer nach dem anderen verschwindet in den Tiefen des Modells.

Das 40. Kapitel: Oily birthday to you!

 

Im Modell folgten die vier Öl-Spanier Goldie. Über einen langen Gang ging es zum Hauptförderschacht. Dort schwebten sie sekundenlang abwärts bis zu einem Seitengang mit Erzrollloch. Die ersten Geräusche einer Party waren zu hören, lautes Lachen, Musik, mit Widerhall und Echo. Gleich hinter dem Erzrollloch war die Party voll im Gange. Milch schwebte lachend mitten drin. Die vier schwebten auf ihn zu und gratulierten ihm. Jeder konnte sehen, dass sich Milch sehr über die neuen Gäste freute. Die anderen Gäste wurden aufmerksam: "Die Öl-Spanier! Aus dem Dunkelraum! Sieht man selten! Nette Bande. Und die Sonnenbrillen! Lustig! Pst! Sie wollen wohl ein Geburtstagslied singen!"

In der Tat. Jose Manuöl stimmte einen Ton an, und schon sangen die vier lauthals: