Märchen im Museum - Kapitel 41-46

Das 41. Kapitel: Goldies Geburtstagsgeschenk

 

Natürlich gab es zu Milchs Geburtstag auch Geschenke. Goldie musste nicht lange überlegen, was sie ihrem lieben Milch schenkt. Das Geschenk sollte ihn schützen und es sollte ihn pflegen, vor allem seine Runzeln, die Goldie so sehr mag. Punkt eine Minute nach Mitternacht gratulierte sie Milch mit einem Küsschen links und einem Küsschen rechts auf die Wange. Dann zeigte sie ihm ihr Geschenk, das sie bis zu diesem Augenblick hinter ihrem Rücken versteckt hatte. Sie ließ es nach vorne schweben und lächelte. Als Milch sah, was es war, lachte er verschmitzt und sagte:"Natürlich, was hätte es anderes sein können!" 

Goldies Geburtstagsgeschenk

Die Gäste schmunzeln, denn für die Runzeln,

in den kommenden Jahren, drohen keine Gefahren.

Das 42. Kapitel: Der labradorisierende Seifenstein

 

Vitrine Glas hatte sie sofort bemerkt. Die neuen Steine im Shop. Sie waren bunt, flach und eiförmig, eigentlich seifenförmig, denn in der Tat, es waren "Seifensteine". Seit zehn Tagen wurden sie im Museum verkauft. 

Zunächst legte der Junge ein paar Seifensteine nebeneinander. Dann wählte er den Stein mit den schwarzen Punkten - den Dalmatinerstein.

Genau vor einer Woche kamen zwei Besucher, ein Vater mit seinem Sohn, die komisch miteinander redeten und einen der neuen Steine kaufen wollten. Vitrine Glas beobachtete sie. Der Junge entdeckte die Seifensteine in ihrem Kasten zuerst. Er wählte einen schwarz gepunkteten Stein aus und sagte:

 

Mein Vater, mein Vater, von all diesen Steinen,

hätt´ ich gern diesen und sonst wirklich keinen.

Von allen Seifensteinen wollte er nur diesen einen!

Der Vater sah kurz auf den Stein und sagte:

 

Mein Sohn, mein Sohn, ich sehe schon,

wir sollten hier nichts überhasten.

Schönere Steine liegen im Kasten.

 

Mein Vater, mein Vater, du bist mein Berater.

Aber noch schönere mit Flecken?

Ich kann da wirklich nichts entdecken.

 

Mein Sohn, mein Sohn, vergiss doch die Flecken.

Auch buntes Schimmern kann sich auf den Steinen verstecken.

 

Mein Vater, mein Vater, das musst du erlauben!

Ein buntes Schimmern? Das kann ich nicht glauben.

 

Jetzt nahm der Vater einen Stein aus dem Kasten. Er war ockergrau und sah etwas langweilig aus. Er zeigte dem Sohn den nichtssagenden Stein und sagte:

 

Mein Sohn, mein Sohn, dafür ist d i e s e r Stein gut,

wenn er labradorisiert, was er auch meistens tut.

Der Seifenstein ist gut. Er labradorisiert, was er beim Drehen gerne tut.

Mein Vater, mein Vater, hier darf ich mal fragen:

Was ist laborieren? Das musst du mir sagen.

 

Mein Sohn, mein Sohn, nicht laborieren!

Richtig heißt es labradorisieren!

 

Mein Vater, mein Vater, du darfst mich belehren,

aber das Labordingsen musst du trotzdem erklären.

 

Mein Sohn, mein Sohn, du wirst gleich verstehen.

Wir wollen den Stein mal ins Licht hinein drehen.

Der Sohn versteht, weil der Vater dreht.

Mein Vater, mein Vater, jetzt seh´ich´s genau:

Der Stein schimmert bunt und war vorher so grau.

 

Mein Sohn, mein Sohn, das ist dem Stein eigen.

Sein Schillern und Schimmern wollt´ ich dir zeigen.

Mein Vater, mein Vater, ich halt ihn empor.

Mensch, Alter! Was kommt da alles hervor!

 

Mein Sohn, mein Sohn, ein Farbenspiel, so interessant,

ein Blau, ein Grün, ein gülden Gewand.

Mein Vater, mein Vater, den nehmen wir mit.

Beim Preis steht der Name: Labradorit.

Der Labradorit ist als Rohstein farblos-weißlich-grau, leicht gelblich. Je nachdem wie die Kamera gehalten wird, schimmert der Stein bläulich auf - er labradorisiert.

Der Vater zahlte, das Kind wurde stiller.

Da fragte die Dame im Shop: "Sind Sie Urenkel von Schiller?"

Darauf das Kind, im Gesicht leichte Röte:

"Mein Vater ist Deutschlehrer.

Wir spielen öfter mal Goethe."

Ein in winzige Teile zerschlagener Seifenstein. Das Schillern, Schimmern, Labradorisieren lässt sich verstärken, wenn man die Teile ins Wasser legt und wenn die Teile sehr klein sind.
Märchenfreies Mineralien-Modul 13: Der Labradorit ist kein eigenständiges Mineral. Er gehört zur Familie der Feldspate, nicht zur Familie der Quarze.

Vater und Sohn verließen das Museum und ließen Vitrine mit ihren Gedanken zurück. "Labradorit" - den Namen kannte sie. Zwei Labradorite gab es im Museum, unauffällig schimmernde  Gesellen, aus Madagaskar, irgendwo bei Afrika. Das einzig Auffallende an ihnen ist, dass sie drei Augen haben, dachte Vitrine. Würde der Labradorit-Seifenstein ihnen ab Mitternacht ähnlich sehen? Vor lauter Geburtstagsvorbereitungen hatte sie bis jetzt um Mitternacht nicht auf die Neuankömmlinge geachtet.

Labradorit, Exponat bei uns im Museum, tagsüber und in der Zeit von Mitternacht bis 1 Uhr morgens.

Das 43. Kapitel: Wer verbirgt sich im Seifenstein?

 

Punkt Mitternacht spiegelte sich Vitrine zu den Seifensteinen im Museumsshop. Was wird aus ihnen? Wer verbirgt sich im Labradorit-Seifenstein? Auch einer mit drei Augen?

Vitrine schaute gespannt auf die Seifensteine. Der Zauber der Mitternacht musste sich auch auf diese Steine auswirken. Da, eine Bewegung? Zuckte da was? Nein, es war nur eine Farbänderung. Alle Seifensteine wurden irgendwie grauer, farbloser. Aber sonst passierte nichts. Vitrine ließ ein paar kleine Lichtreflexe über den Labradorit-Seifenstein huschen. Nichts. Keine Regung! Enttäuscht murmelte sie vor sich hin: "Schade, dieser Labrador..." 

Kaum hatte sie das Wort "Labrador" gesagt, kam Bewegung in den Labradorit-Seifenstein. Aber nur in ihn. Die anderen blieben grau und starr. Der Labradorit fing an, sich zu verändern. Als würde ein Vorhang Stück für Stück weggezogen, gab der Stein sein Geheimnis preis.

Jetzt war Vitrine aber wirklich überrascht. Ein kleiner Hund! Aus dem Seifenstein war ein kleiner Hund geworden. "Natürlich! Klar!", dachte Vitrine. Hatte sie nicht "Labrador" gesagt? Labrador ist eine Hunderasse! In dem Seifenstein steckte ein Hund, ein Labrador. Offensichtlich zeigte er sich nur, wenn er gerufen wurde. 

Das 44. Kapitel: Vitrines Geschenkidee für Milchs Geburtstag

 

Ein süßer Hund. Vitrine mochte ihn sofort. Leider war er ganz grau. Sie spiegelte sich dicht an ihn heran und sagte: "Na, Kleiner, wie wäre es mit einem bisschen Farbe? Was ist mit deinem Farbenspiel?" 

Der kleine Hund, der kleine Labrador schaute sie mit großen Augen fragend an. Er begriff nicht. Er hatte keine Ahnung, was Vitrine von ihm wollte.

Doch dann hatte Vitrine eine Idee. Sie schaute dem grauen Hündchen in die Augen und sagte:

 

Labrador, Labrador,

bring dein Farbenspiel hervor!

Und es klappte! Aus dem grauen Hund wurde ein labradorisierender Labrador! Allerdings nur eine Minute lang. Dann war der Hund wieder grau. Worauf Vitrine wieder den Spruch sagte.

Labrador, Labrador,

bring dein Farbenspiel hervor!

Und tatsächlich, aus dem grauen Hund wurde wieder ein bunter Hund. Der kleine Labrador bellte begeistert. Sein buntes Fell gefiel ihm. Auch Vitrine war begeistert. Das gibt eine hübsche Geburtstagsüberraschung, dachte sie, wenn wir Milchs Party feiern. Vitrine hatte ihr Geschenk für Milch gefunden.

Das 45. Kapitel: Labrador, Fußballtor, Ofenrohr...

 

Vitrine brachte also das Hündchen Labrador mit zur mitternächtlichen Geburtstagsfeier. Sie gratulierte Milch und führte ihm dann Labrador vor. Die Partygäste wurden aufmerksam. Jeder schaute zu. Milch lachte, als er selber nach einer Minute mit "Labrador, Labrador, bring dein Farbenspiel hervor" augenblicklich Erfolg hatte. Die Partygäste amüsierten sich köstlich. Milch freute sich über die gute Stimmung und bedankte sich bei Vitrine für ihre tolle Geburtstagsüberraschung. Natürlich wollte jetzt jeder im Minutentakt Labrador von einem grauen in einen bunten Hund verwandeln, auch deshalb, weil Labrador selber so viel Freude daran hatte. Wurde er bunt, bellte er laut, wedelte begeistert mit dem Schwanz und sprang vor Freude in die Luft. Und nach einer Minute war er wieder grau.

 

Aufs Bild klicken, dann wird die Schrift deutlich!

Weil sich einer der Gäste bei "Labrador, Labrador..." versprach, merkten alle, dass der Labrador  eigentlich nur das "-or" hören musste, um bunt zu werden. Das hob noch einmal die Stimmung! So rief der Amethyst: Lila, lila Ofenrohr, bring dein Farbenspiel hervor! Und der Rosenquarz sagte: Rosa, rosa Eselsohr, bring dein Farbenspiel hervor! Die Grünquarze sangen: Grüner, grüner  Banktresor... Die Zeit verging wie im Flug.

 

Das 46. Kapitel: Labrador, sing uns doch ein Liedchen vor!

 

Plötzlich hatte einer der Gäste einen verrückten Einfall: "Vitrine, was meinst du, könnte der kleine Labrador nicht ein Geburtstagslied singen?" - "Wie singen? Der kann nur bellen!" "Macht nichts, vielleicht bellt er für Milch ein Liedchen, wenn wir alle sagen..." 

Aber der kleine Labrador begriff nicht, was die Geburtstagsgesellschaft von ihm wollte.

Während der ganzen Zeit hatte sich der dreiäugige Labradorit im Hintergrund gehalten. Jetzt sagte Goldie zu ihm: "Mensch, Labro! Sag doch auch mal was! Du und das Hündchen, ihr seid doch aus dem gleichen Stein gemeißelt. Sag doch was! Vielleicht versteht er dich!"

Der Labradorit zierte sich ein wenig. Er verdrehte zwei seiner drei blauen Augen, denn er stand nicht gern im Mittelpunkt.  Aber dann schaute er das Hündchen an und sagte auf Labradoritisch zu ihm:

Labradoritisch! Der kleine Labrador verstand den großen Labradorit sofort. Vor Freude kriegte das Hündchen eine blaue Nase, grinste und sagte, übersetzt:

Der große Labradorit übersetzte für alle das labradoritische Bellen und meinte: "Der Labrador wird ein Liedchen singen, vielleicht auf Labradoritisch, vielleicht aber auch auf Englisch. Ihr werdet aber nur ein Bellen hören. Da sagten alle zum kleinen Labrador:

Der Kleine überlegte kurz, ob er nun auf Labradoritisch oder auf Englisch bellen sollte. Dann entschied er sich für Englisch, denn im Labradoritischen haben viele Wörter a- und au-Laute. Und dann hört sich das Bellen zu jaulig an:

Er legte los. Er sang, bellte, hechelte, heulte, jaulte, er tanzte auf einem Bein, streckte die Zunge ganz weit raus oder verdrehte die Augen und die Ohren. Eine Minute lang gab er sein Bestes, dann war er wieder grau und weniger motiviert. Milch und die Gäste waren begeistert. Sie klatschten Beifall und johlten, dass es nur so im Bergwerksmodell hallte und echote. Vitrine freute sich, dass sie die Geschenkidee gehabt hatte.