Pforzheim - Gesellstraße

Die einstündige Wanderung beginnt an der Bushaltestelle "Gesellstraße", Richtung Stadtmitte, in der Pforzheimer Gesellstraße. Hier gibt es keine Park-möglichkeiten.

Im Hintergrund geht es an der Gesellstraße mit den beiden Bushaltestellen los. Der Fotograf steht auf einer Sports-Utility-Vehicle-breiten Straße,

die hinter ihm steil in nordöstlicher Richtung den Berg hochführt und auch Gesellstraße ist und heißt. Mehr als ein SUV auf einmal fährt hier wirklich nicht. Hinter der Kurve beginnen links schützend-stützende Mauern bis zum höchsten Punkt des Sträßchens, der Gesellstraße.

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Wer hier wandert oder eben nur einen kleinen Spaziergang macht, ...

 

...kann unter Umständen sandige, tonige, mer-gelige, kalkhaltige, dolomitische oder drusige Gesteine kennen lernen oder Mineralien, wie Quarz, Glimmer, Hämatit, Azurit, Malachit, Mangan, Chalcedon oder Calcit.

 

...durchwandert und erlebt deutlich die Grenze zwischen Buntsandstein und Muschelkalk.

 

...wird dem Thema Erosion begegnen.

 

...sieht, dass der Muschelkalk zwischen dem Buntsandstein liegt. Normalerweise liegt der Muschelkalk über dem Buntsandstein.

 

...benützt Wege durch den Muschelkalk, aber an keiner Stelle ist ein typischer Kalkstein zu sehen.

 

...schaut in gepflegte Kleingärten und genießt den Panoramablick ins Enztal.

 

...wird selbstverständlich Straße und Wege nicht verlassen und jegliches Gestein in   Ruhe liegen lassen.

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Die Gesellstraße G führt von der Wurmberger Straße W hin-unter zum Klinikum. An den Pfeilen beginnt oder endet ein  Sträßchen, das ebenfalls Gesell-straße ist und heißt.- B sind Bushaltestellen, V steht für Verbindungsweg und H für Hangweg. Der Wanderweg geht durch die Gesteinshorizonte (gelb): PL = Plattensandstein-Formation, = Rötton-Formation und MU = Muschelkalk,         Unterer Muschelkalk, Freudenstadt-Formation.

Der silbrig gepunktete, der glimmerreiche Sand-stein steht für die Plattensandstein-Formation, der rotbraune Tonstein für die Rötton-Formation und der gelbliche Dolomitstein mit den hellen und dunklen Flecken für den Unteren Muschelkalk, die Freudenstadt-Formation.

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Schon wenige Meter von der Bushaltestelle ent-fernt, werden die Hänge an der Gesellstraße so steil, dass schützend-stützende Mauern  von- nöten sind. Für diese Natursteinmauer wurde ein Gestein verwendet, das Plattensandstein heißt.

Der Platten-sandstein ist ein Gesteins-horizont im Oberen Bunt-sandstein. Das Gestein

 

ist reich an Hämatit, Ton und Glimmer.

Die Sandkörner bestehen aus Quarz. Das farblose Quarz-Sandkorn ist von einem hauchdünnen Hämatithäutchen umgeben. Der Hämatit ist eine Eisenverbindung, die das Quarzkorn mehr oder weniger rotbraun einfärbt. So erscheinen der Plat-tensandstein und die Mauer insgesamt leicht rotbraun in der Grundfarbe.

 

Die Quarzkörner sind klein: Der Sandstein ist feinkörnig. Die Quarzkörner werden durch Ton als Bindemittel (Zement) zusammengehalten. Ton ist etwas Weiches. Ein Hammerschlag und schon zerbricht das Gestein entlang des tonigen Zements. Der Plattensandstein lässt sich wegen des Tonanteils gut bearbeiten. Der Maurer, der Steinmetz, der Bildhauer - sie alle schätzen das.

 

Die Glimmerplättchen im Gestein bewirken und fördern ein ebenplattiges Aufspalten bei der Verwitterung oder bei der maschinellen Bearbei-tung. Die Gesteinsoberfläche kann von Natur aus so eben sein, dass die Platten auch ohne Mörtel zu einer stabilen Mauer aufgeschichtet werden können.

 

Mit der Mohshärte 7 ist der Quarz ein hartes Mineral, härter als Glas. Die Sand-Quarz-Körner des Plattensandsteins können ein Marmeladen-glas zerkratzen!

Wenn man die Gesellstraße hochwandert, geht es links immer an Mauern entlang, mal Buntsand-stein-Naturstein, mal schlichter Beton oder Kunststein. Rechts dagegen beginnt der steile Hang mauerfrei unmittelbar am Sträßchen. Zwar ist der Hang bis zum Asphalt hinunter mit Bäumen, Büschen und Bodendecker bewachsen, aber nicht wie auf obigem Bild ununterbrochen dicht.

Es gibt am Straßenhang immer wieder pflanzen-freie Stellen, die einen Blick auf den Gesteinsun-tergrund erlauben. Und siehe da, der Plattensand-stein, der links in einigen Mauern verbaut ist, verwittert ganz natürlich hier am Hang. Die Ge-sellstraße führt an dieser Stelle durch den Plat-tensandstein im Oberen Buntsandstein.

Die Plattensandsteinstücke, die gut beobachtbar am Straßenrand liegen, sind oberflächlich platt.  Glimmerplättchen schimmern silbern im Licht. Die meisten Steine sind rotbraun, ein paar wenige allerdings grüngrau.

Bei den grüngrauen Sandsteinstücken haben die  Sand-Quarz-Körner offensichtlich ihre rotbraune Hämatitfarbe verloren. Die grüngrauen Platten-sandsteine sind oft besonders ebenplattig und auffallend glimmerreich. Auch die grüngraue Farbe dürfte auf eine Eisenverbindung zurückgehen.  Eisen kann verschiedenwertig sein und hätte in dieser Verbindung eine andere Wertigkeit als beim Hämatit. Saft, den Pflanzenwurzeln absondern, könnte die Ursache für den Farbwechsel, für die Wertigkeitsänderung beim Eisen sein. Ein solch grüngrauer Buntsandstein ist eher die Ausnahme. Sie macht die Stelle zu etwas Besonderem.

Der grüngraue und der rotbraune Plattensand-stein wurden abgefeilt. Die abgefeilten Sandkör-ner und der tonige Zement liegen auf einer hellen Unterlage. Das  einzelne Sandkorn ist kaum zu identifizieren. Es ist für das bloße Auge zu klein: Der Plattensandstein ist feinkörnig.

Am steilen Hang ist der Plattensandstein hin und wieder in kräftigen Bänken zu sehen.

Im Umkreis der Gesellstraße wurde einst in meh-reren Steinbrüchen der Plattensandstein abge-baut. Je höher die Sandsteinlage, desto dünn- und feinschichtiger werden die Platten. In den ober-sten Lagen kann der Plattensandstein dünn und weich wie Pappendeckel am Hang herauswittern.

Kräftige Plattensandsteinblöcke sind aufeinander geschichtet, um den steilen Hang abzustützen. Moos zieht dem Sandstein ein grünes Kleid an.

Wenige Schritte weiter, an einem privaten kleinen Parkplatz, wird der Hanganstieg rechterhand deut-lich flacher. Das Hangbild wirkt weich, gerundet, steinlos. Man schaut im Sommer auf ein Wiesen-gelände mit Wildblumen und hohem Gras, Busch-werk und kleinen Bäumen.

Am Rande der Gesellstraße oder unter den Büschen am Hang sieht das Gestein jetzt ganz anders aus. Es erscheint bröselig, bröckelig. Es gibt viele kleine Steine. Sie sind eher gerundet als ebenplattig. Es ist mehr Farbe im Spiel. Allerdings überwiegt die rote Farbe. Rötton ist ein Name für dieses Gestein, beziehungsweise dieses 5-10 m mächtige Gesteinspaket, ein zweiter Name ist Rötmergel, ein dritter Rötton-Formation.

Im Winter wird der sanfte Hanganstieg im Rötton noch deutlicher. Der Rötton ist die oberste Gesteinslage im Oberen Buntsandstein. Darüber beginnt der Muschelkalk, auf dem Foto am Hochsitz. Die Aufnahme zeigt den Röttonhang etwas weiter nordöstlich von der Gesellstraße.

Der Rötton ist ein tonreiches, lockeres und wei-ches  Gestein, das leicht ausgewaschen werden kann, insbesondere wenn eine schützende Pflanzendecke fehlt. Das ist hier am Straßenrand der Fall. Das Fundament der Straßenlaterne ist unterspült. Jeder Regenguss nimmt ein bisschen Gestein mit. Unbefestigte Wege durch den Rötton sind bei Regen unsicher, denn das Gestein wird dann schmierig und rutschig.

Zwischen Gesellstraße und Hangbeginn wird mit Muschelkalksplitt versucht, die Auswaschung zu bremsen. Doch der Ton im Rötton kann dem Wasser nicht widerstehen. Er lässt sich fortspülen. Im folgenden Bild liegt ein Stück Rötton in einem Marmeladenglasdeckel:

Wasser wird vorsichtig dazugegeben. Der Tonstein wird aufgelöst und verwandelt sich ohne großes Zutun in eine Schlammbrühe. Die braune Ton-schlammbrühe wird auf ein Stück Papier gegos-sen. Die Brühe setzt sich in Bewegung.

Der Tonstein auf dem Rötton-Hang wird ausge-waschen. Die Schlammbrühe setzt sich in Bewe-gung und ergießt sich über die Straße. Später trocknen die Schlammreste auf dem Asphalt aus. Und wieder einmal verabschiedet sich ein Teil der Rötton-Formation von der Gesellstraße mit einem letzten braunen Gruß!

Dieser Tonstein der Rötton-Formation reagiert auf Salzsäure mit Gasblasen. Er enthält Kalkteilchen, die mit der Säure reagieren. Da das Gestein tonige und kalkige Teilchen enthält, kann man von einem Mergelstein sprechen. Für Rötton liest man in der Literatur auch Rötmergel. Der Mergelstein oder Tonmergelstein wird als Varietät, als Sonder-form des Tonsteins angesehen. Manche Tonsteine am Hang der Gesellstraße zeigen keine Reaktion auf Salzsäure. Sie sind fürs bloße Auge kalkfrei.

Der Erosion, der Auswaschung und Unterspülung des Gesellstraßenhangs schaut man nicht tatenlos zu. Es wird etwas gepflanzt, um den Hang mit seinem bröseligen, bröckeligen, lockeren, rutschi-gen Tongestein zu stabiliseren. Dabei ist ein ange-pflanzter Busch sicher besser geeignet als ein kräftiger Baum, dessen starke Wurzeln später den Straßenasphalt in die Höhe drücken würden. Und der dichte Grasbewuchs auf den Hängen ist ein Muss, das gepflegt werden muss! Auch auf dem Verbindungsweg V an der Hecke entlang.

Am Straßenrand sieht man viele angespülte Stein-chen. Sie sind alle auf einem Trip nach unten. Beim nächsten Regenguss werden sie ihre Reise nach unten fortsetzen:

Das eine oder andere bunte Steinchen lässt sich einem Gestein zuordnen. Die bunten Pfeile im Folgebild helfen bei der Zuordnung:

Blauer Pfeil: Blaukalk aus dem Oberen Muschel-kalk. Grüner Pfeil: Plattensandstein aus dem Oberer Buntsandstein. Gelber Pfeil: Dolomitstein aus dem Unteren Muschelkalk. Violetter Pfeil: Betonstück. Roter Pfeil: Ziegelstein. Weißer Pfeil: Gemeiner Milchquarz.

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Den Plattensandstein sieht man unten in der Ge-sellstraße am Kreisverkehr bei 250 m ü.N.N. bis hinauf zum privaten Parkplatz an der Gesellstraße bei 295 m ü.N.N. Die Plattensandstein-Formation umfasst etwa 45 m. Die darüber liegende Röt-Formation vom privaten Parkplatz bis hoch zum  Hangweg ist etwas unter 10 m mächtig. Die Plattensandstein-Formation und die Rötton-For-mation bilden zusammen den Oberen Buntsand-stein. Darüber liegen dann im Bereich des Hang-wegs noch wenige Meter Muschelkalk.

 

Buntsandstein und Muschelkalk gehören erdge-schichtlich in die Mittlere Trias. Die Trias ist ein Zeitabschnitt im frühen Erdmittelalter. Die Ge-steine an der Gesellstraße sind etwa 240 Millionen Jahre alt.

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Fast am höchsten Punkt der Gesellstraße über-windet ein Weg entlang einer Hecke den Rötton-Hang. In der Karte am Anfang ist dieser Weg mit V = Verbindungsweg eingezeichnet.

Am unteren Ende des Verbindungswegs V lugt der schmierige, rutschige Rötton durchs Gras und sagt ein feuchtrotes Tschüss! Am oberen Ende begrü-ßen auf einem Acker gelbliche Dolomitsteine aus dem Unteren Muschelkalk den Vorbeigehenden. Ob die beiden Ackersteine ihre Freude daran haben, hier an dieser Stelle die Freudenstadt-Formation im Unteren Muschelkalk zu repräsentieren?

Wer für die kleine Wanderung eine Stunde einge-plant hat, wird von hier aus wieder zur Gesell-straße zurückgehen und - vielleicht über den noch nicht gesehenen Teil der hufeisenförmigen Straße - wieder zur Bushaltestelle hinabwandern.

Wer mehr Zeit hat und wandermäßig gekleidet ist, könnte am oberen Ende des Verbindungswegs V (roter Pfeil) fünf Minuten weiter geradeaus über einen Wiesenweg bis zu einem kleinen privaten Autoparkplatz gehen, sich dort umdrehen und den Blick ins Enztal genießen. Aber Vorsicht! Der Wiesenweg ist gefährlich, wenn er nicht gemäht ist! Es gibt Tretminen, weil man hier mit dem Hund Gassi geht. Und es lautert hier eines der gefährlichsten Tiere Deutschlands, die Zecke!

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Was es von hier aus landschaftlich, geologisch, gesteinskundlich noch zu entdecken gibt, wird unter "Pforzheim - Rotteckstraße" und "Pforzheim - Hafnerwiese" beschrieben. Noch in Bearbeitung!

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