Ca ist immer da!
In der Vitrine Nr. 7 sind auf den ersten Blick recht unterschiedliche Exponate beieinander: Calcit und Aragonit in Stufen und als Kristalle, Gips, Gagat und Bohnerz, Stinkquarze aus Pforzheim und Mangan-Dendriten aus Solnhofen. Wo verbirgt sich das verbindende Element? Nehmen wir doch als verbindendes Element ein Element, nämlich das Element Calcium (Ca).
Das tonangebende Element in Vitrine 7 ist Calcium (Ca). Weitere Elemente gesellen sich dazu: Carbon (C), Sauerstoff/ Oxygenium (O), Magnesium (Mg), N Stickstoff, Nitrogenium, Silicium (Si), Mangan (Mn), Eisen/ Ferrum (Fe), Schwefel/Sulfur (S), Wasserstoff/ Hydrogenium (H).
Calcium, Kohlenstoff und Sauerstoff sind im Calcit verbunden, einem Karbonat mit der chemischen Formel CaCO3. Andere Namen für Calcit sind Kalzit, Kalkspat und Doppelspat. Der Calcit ist ein Kalziumsalz der Kohlensäure.
Der Calcit ist farblos bis milchig weiß. Er ist leicht verfärbbar, vor allem durch Eisenverbindungen, die gelbe, braune oder rote Farbtöne beim Calcit bewirken. Häufig ist braungelb färbender Limonit beteiligt, ein kristallloses Gemisch aus wasserhaltigen Eisenoxiden (Eisen-III-oxid, FeO(OH)xnH2O, Brauneisenstein). Kristallloser Calcit bildet die Grundmasse eines Kalksteins. Der Kalkstein aus Birkenfeld ist ein Muschelkalk. Beim Muschelkalk wird die Calcit-Grundmasse durch Pyrit und bituminöse Substanzen dunkelblaugrau verfärbt.
Der Böttinger Bandmarmor ist ein Kalkstein. Er entstand durch wechselnd starke Ablagerungen von Calcit im Kalksinter und Eisenverbindungen an einem Quellaustritt. Er ist daher ein Sedimentgestein und kein echter Marmor. Der echte Marmor gehört zu den Umwandlungsgesteinen. Allerdings dürfen Kalksteine, die geschliffen und poliert werden können, mit Marmor bezeichnet werden. Auch dieser Kalkstein hat als Grundmasse einen derben Calcit, der bandartig mal mehr, mal weniger durch Eiseneinlagerungen verfärbt ist.
Der Calcit ist ein gesteinsbildendes Mineral: Muschelkalk, Jurakalk, Nero Marquina, Belgisch Granit, Marmor... Diese Gesteine sind weiche Gesteine, weil der Calcit mit der Mohshärte 3 ein weiches Mineral ist. Muschelkalk und Jurakalk sind drusenreich. In den Drusen gibt es reichlich kristallinen Calcit. Gipskristalle können als Begleiter in der Druse sein. Zum Calcit als Calciumcarbonat (Ca+C+O - CaCO3) gesellt sich im Muschelkalk gern der Gips als wasserhaltiges Calciumsulfat (Ca+S+O - CaSO4 x H2O).
Unter allen Mineralien ist der Calcit das formenreichste. Es gibt den Calcit massiv-derb und dicht, körnig, fasrig und stängelig, aber auch pulverförmig, locker und erdig, dann wieder stalaktitisch-stalagmitisch, kugelförmig, blumenkohlartig, oolithisch, säulig, taflig, nadelig, auch zwillingsbildend.
Bildet der Calcit Kristalle, dann wählt er bevorzugt eine rhomboedrische oder eine skalenoedrisch Form. Die Kristalle sieht man selten als lose Einzelexemplare. Meistens sind sie auf einem Untergrund fest aufgewachsen.
Das Skalenoeder ist sächlich - "das". Das Skalenoeder hat mit dem griechischen Wort "skalenos" = ungleich, ungleichseitig zu tun. Das Skalenoeder ist ein Polyeder, ein Vielflächner, mit ebenen, mit flachen Flächenstücken. (Das Gegenteil von "eben" wäre beispielsweise "kugelförmig gebogen".) Das Skalenoeder hat als Vielflächner nicht endlos viele Flächen, sondern genau 12. Die zwölf Flächen des Skalenoeders sind ungleichseitige Dreiecke, bei denen jeweils zwei Flächen parallel gegenüber liegen. Das Skalenoeder ist ein geometrischer Körper, der von 12 ebenflächigen ungleichseitigen Dreiecken begrenzt wird. Das Skalenoeder ist eine Kristallform des Calcits.
Eine Solnhofener Schieferplatte hat ihren Platz in Vitrine 7 gefunden. Passt sie als Exponat hier her? Ja, denn die Grundmasse der Platte besteht aus hellem CaCO3. Das Ca ist auf jeden Fall da! Schwarze Mangan-Dendriten und gelbe Limonit-Flecken, Mn- und Fe-Verbindungen zieren die Platte.
Die Pforzheimer Stinkquarze lassen sich in und um Pforzheim auf den Äckern und in den Weinbergen auflesen, wenn diese im Mittleren Muschelkalk liegen. Die Stinkquarze liegen oft lose in der Ackerfurche oder auf dem Weinbergboden. Gelegentlich stecken sie - wie auf den Fotos oben - im begleitenden Gestein, dem Zellendolomit. Der löchrige Dolomitstein hat als Grundmasse ein Calcium-Magnesium-Carbonat. Das Ca ist da!
Der schwarz glänzende Gagat wird so in Holzmaden im Posidonienschiefer, Lias Epsilon, Schwarzer Jura, gefunden, Steinbruch Fischer. Weiße Calcit-Adern durchziehen das handtellergroße Stück. Ca ist da, aber nicht im Gagat selber, der die Elemente C, O, H und N enthält. Der Gagat ist ein bituminöses fossiles Holz und gehört zu den Kohlegesteinen. Er entstand unter Luftabschluss im Faulschlamm des Schwarzjurameeres aus dem Holz damaliger Bäume. Ein typischer Baum jener Zeit ist die Schuppentanne.
In den Hohlräumen des Muschelkalks kann man immer wieder Gipskristalle entdecken. Muschelkalk: Grundmasse CaCO3, Calciumcarbonat. Muschelkalk-Hohlraum, in der Druse: neben Calcit-Kristallen auch CaSO4, Calciumsulfat, eben Gips. Auch bei diesen Exponaten in Vitrine 7 ist Ca reichlich vorhanden!
In der Vitrine 7 stehen einige Aragonit-Stufen. Sie stehen mit Recht hier, denn der Aragonit ist chemisch gesehen ein Calciumcarbonat wie der Calcit. Aber damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf.
Der Aragonit kristallisiert orthorhombisch und ist ein instabiles Gebilde, dessen Existenz von ganz bestimmten Drücken und Temperaturen abhängt. Ändern sie sich deutlich, verändert sich der Aragonit zu Calcit, der triklin kristallisiert und der weitaus stabilere Zustand ist.
Nach Mohs ist der Aragonit etwas härter als der Calcit, und die Aragonit-Kristalle sind im Vergleich zum Calcit häufiger in die Länge gezogen, stängeliger, nadliger, spießiger oder säulenförmiger.
In einer Höhle wachsen Stalaktiten, mehr oder weniger von der Decke senkrecht nach unten und folgen so der Schwerkraft.
In einer Höhle wachsen Stalagmiten, mehr oder weniger geradlinig von unten nach oben, weil sie sich über den fallenden Wassertropfen der Schwerkraft unterordnen.
In einer Höhle wachsen Excentriques, mehr oder weniger wie sie wollen. Für sie scheint die Schwerkraft außer Kraft gesetzt zu sein. Wie das funktioniert, sagen manche, sei noch nicht endgültig geklärt. Dass es beim Aragonit funktioniert, ist eindeutig geklärt. Es gibt diese wirr wachsenden Aragonit-Excentriques in mancher Karsthöhle, in manchem Museum, und bei uns in der Vitrine 7!
Excentriques: Ein solch ausgefallenes Wort regt zum Sinnieren an. Da steckt "ex" = "aus, außerhalb" drin und mit "centrique" die Wortbedeutung "Zentrum, Mitte, Mittelpunkt". Diese besonderen Sinterbildungen in Höhlen entsprechen nicht der Norm, der Mitte, des Üblichen. Sie weichen vom Mittelpunkt des üblichen Geschehens ab. Sie stehen außerhalb aller Erwartungen. Das wiederum ist sonderbar, wofür wir beim menschlichen Verhalten das Wort "exzentrisch" haben, in dem auch etwas Eigenartiges, Übertriebenes, Überspanntes, Versponnes mitschwingt. Das führt zur abschließenden Frage: Wie exzentrisch wirken wohl Excentriques auf Exzentriker?
Natürlich gibt es bei den Exponaten in der Vitrine 7 noch ein zweites verbindendes Element, nämlich den lokalen Bezug. Das wird über die Ortnamen deutlich: Pforzheim, Birkenfeld, Illingen, Mönsheim, Heimsheim, Vaihingen an der Enz, Renningen, etwas entfernter dann Heilbronn, Ilsfeld, Leonberg oder noch ein Stückchen weiter Böttingen und Holzmaden; außerhalb des Lokalen: Solnhofen.
Der Blick in die Vitrine 7 soll an dieser Stelle spielerisch beendet werden: Bei den folgenden neun Bildern sind die Beschriftungen völlig durcheinander geraten. Welches Stichwort gehört zu welchem Bild? ( L = Links, M = Mitte, R = Rechts )